Kind eins hat Down-Syndrom – und dann noch ein zweites?

Ronja am Strand

Über Pränataldiagnostik und über meine zweite Schwangerschaft

„Ich finde das wirklich sehr mutig, noch ein zweites Kind zu bekommen, nachdem das erste behindert war.“ So oder so ähnlich hat ein Arbeitskollege das formuliert, was vielleicht einige gedacht haben, nachdem ich meine zweite Schwangerschaft bekannt gegeben habe.
Man kann viel darüber spekulieren, was für ein Blick auf das Leben mit Behinderung dahinter steckt. War denn Ronja ein Unfall? Ein Fehler, den man kein zweites mal zulassen möchte? Ist es schlecht, so zu denken, oder ist es Schönfärberei, zu behaupten, wir sähen das ganz anders? Ich halte nicht viel davon sich zu beklagen über die Gedanken, die Menschen nunmal oft haben, wenn es um das Down Syndrom geht. Zumal sie meist in guter Absicht oder in Unsicherheit geäußert werden. Worüber ich stattdessen schreiben möchte ist der Mut, den es für diese zweite Schwangerschaft mit Emil gebraucht hat. Waren wir mutig? Und, wieviel Mut ist wirklich nötig nach einer solchen Vordiagnose?

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Zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2022: Was Ronja alles kann

Verschiedenfarbige Socken - Das Symbol zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2022

Über Ronjas Entwicklung mit fast vier Jahren

Seit Ronja vor sieben Wochen ein kleines Brüderchen bekommen hat, haben wir ein Ritual, das mir heilig geworden ist: Ich bringe sie ins Bett – ohne Baby – wir lesen meistens noch ein Buch, und dann, kurz vor dem Einschlafen, erzähle ich ihr, was ich an dem hinter uns liegenden Tag alles schön fand und was ihr besonders gut gelungen ist. „Ja“, sagt sie meist, ergänzt meinen Bericht aber manchmal auch mit eigenen Erinnerungen.

Ein großes Thema, wenn es um das Verständnis für Menschen mit Trisomie 21 geht, ist für mich immer wieder die häufig sehr defizitorientierte Darstellung in den Medien und die entsprechende öffentliche Wahrnehmung. Zum heutigen Welt-Down-Syndrom-Tag möchte ich daher unser kleines Ritual in die Öffentlichkeit tragen. Es folgt ein Beitrag für und über Ronja:

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Warum die Würde wichtiger ist als die Gesundheit – gerade in Zeiten von Corona

„Die Gesundheit ist das höchste Gut.“. „Hauptsache gesund.“ „Solange wir nur alle gesund bleiben…“. Diese und ähnliche Sätze habe ich häufig in der Schwangerschaft mit meiner Tochter gehört, die nicht gesund war und es auch jetzt nicht ist. Und ich höre die Sätze heute, in Zeiten der Corona-Pandemie. In beiden Fällen sind sie falsch und außerdem in dieser Falschheit gefährlich.

Wie damals in meiner Schwangerschaft ringe ich, ob das, was ich zu sagen habe, in angemessener Differenziertheit aufgenommen werden wird. Wie damals weiß ich nicht, ob man mich aufgrund der Worte, die ich schreibe, in eine Ecke stellen wird: Damals mit radikalen Abtreibungsgegner*innen, mit denen ich nichts gemein habe, heute mit der rechten Szene, mit Verschwörungstheorien und generellem Leugnen der Existenz des Coronavirus. Ich schreibe trotzdem, denn gerade wenn Fronten verhärtet scheinen ist die Mitte die Letzte, die verstummen darf, aus Angst, zwischen die Fronten zu geraten. Auch dies: Damals wie heute.

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„Die ist aber zutraulich“ – Über Nähe und Distanz mit Down Syndrom in Zeiten von Corona

Wir waren auswärts essen heute Abend. Ronja ist zwei Jahre und drei Monate alt mittlerweile und oft sehe ich sie an und wundere mich, wie mein Kind so schnell so groß und „erwachsen“ werden konnte. Es ist verrückt: Alles dauert bei ihr länger als bei anderen Kindern. Jeden Meilenstein der Entwicklung erwarten wir lange, begleiten ihn lange, genießen ihn und nehmen ihn sehr bewusst wahr. Wie das Laufen, das Ronja im März, zwei Monate vor ihrem zweiten Geburtstag, begonnen hat und mittlerweile recht sicher beherrscht. Oder das Sprechen, das jetzt langsam Thema wird für Ronja, indem sie die ersten Worte sehr bewusst nachahmt: „Audo“ (die verwaschene Aussprache liegt in dem Fall nicht am Down Syndrom, sondern daran, dass wir in Franken wohnen), „Bao“ („Baum“), „Mama“, „Papa“, „Oma“, „Opa“ und, ganz frisch dazugekommen: „Ooa“ („Ohr“). Und dennoch erscheint mir auch dieses langsame Tempo oft rasend schnell. Wenn ich Bilder von vor wenigen Monaten sehe, dann wundere ich mich, wie unser Baby sich so schnell zu einem so großen Mädchen entwickeln konnte, das deutlich seine Meinung zeigt und immer häufiger auch sagt, das die Weltgeschichte auf seinen eigenen zwei Beinen entdeckt und das vor allem ein unstillbares Interesse und riesiges Vertrauen allen anderen Menschen gegenüber zeigt, denen es im Alltag so begegnet.

Kleinkind mit Down Syndrom sitzt im Stuhl
Ronja hat einen eigenen Willen bekommen
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