Über Ronjas Entwicklung mit fast vier Jahren
Seit Ronja vor sieben Wochen ein kleines Brüderchen bekommen hat, haben wir ein Ritual, das mir heilig geworden ist: Ich bringe sie ins Bett – ohne Baby – wir lesen meistens noch ein Buch, und dann, kurz vor dem Einschlafen, erzähle ich ihr, was ich an dem hinter uns liegenden Tag alles schön fand und was ihr besonders gut gelungen ist. „Ja“, sagt sie meist, ergänzt meinen Bericht aber manchmal auch mit eigenen Erinnerungen.
Ein großes Thema, wenn es um das Verständnis für Menschen mit Trisomie 21 geht, ist für mich immer wieder die häufig sehr defizitorientierte Darstellung in den Medien und die entsprechende öffentliche Wahrnehmung. Zum heutigen Welt-Down-Syndrom-Tag möchte ich daher unser kleines Ritual in die Öffentlichkeit tragen. Es folgt ein Beitrag für und über Ronja:
Ronja kann gut…
- …sprechen. Sie spricht mittlerweile ganze Sätze. „Papa, wer bist du?“ (gemeint ist „wo“, statt „wer“), „Musik hören willst du“ (mit „du“ ist sie selbst gemeint), „Fischstäbchen gibt’s heute“ (ist selbsterklärend) und so viel mehr. Sie plappert ohne Unterlass – nicht immer ganz verständlich – und zelebriert es, die Dinge benennen zu können.
- …sich erinnern und berichten. „…und dann waren wir in der Stadt ein Eis essen und haben die Tauben beobachtet. Weißt du noch, was das für ein Eis war?“ frage ich am Abend im Bett. „Mangoeis“, ergänzt Ronja völlig klar und richtig nach kurzem Überlegen. Auch was früher war kann Ronja mit etwas Hilfestellung gut rekapitulieren.
- …teilen. Sie „kocht“ viel in der Puppenküche und hat bei der Verteilung einen ausgesprochenen Gerechtigkeitssinn: Wenn Mama ein Stück Kuchen bekommt, dann muss „Papa auch“ unbedingt eines bekommen und „Baby auch“.
- …mitleiden. Wenn das Baby weint, dann bringt sie ganz eifrig seine Decken und sein Spielzeug, um es zu trösten. „Baby müde?“, fragt sie, wenn das nicht hilft und schlägt mir dann vor, ich solle doch „Baby Windel machen“.
- …spazieren gehen. Lange Zeit waren wir immer nur mit Buggy unterwegs, weil Ronja entweder nicht an der Hand gehen wollte und ohne Hand weggelaufen, oder eben gar nicht gelaufen ist. Seit Baby da ist, wurde der Buggy zum Kinderwagen zurückgebaut und siehe da: Ronja läuft! Manchmal nur mit viel zureden, manchmal aber ganz ohne Murren. Alltagsstrecken sind endlich zu Fuß mit ihr möglich!
- …rennen. Neuerdings spielen wir sogar fangen.
- …auf Klettergerüste klettern und rutschen. Sie wird immer mutiger.
- …toben. Nicht immer, aber immer öfter ist Papa ein guter Ersatz, wenn ich das Baby stillen muss. Toben mit Papa ist etwas, das Ronja genießt und auch einfordert.
- …basteln und malen. Ronja malt mit Fingerfarben und Aquarell und Buntstiften und bringt auch oft etwas aus dem Kindergarten mit. Von den Therapeut*innen hören wir, dass sie sich gut konzentrieren kann – wichtig später für’s Vorschulalter.
- …singen und musizieren. Ronja ist unheimlich musikalisch. Sie kann unendlich viele Kinderlieder auswendig; erkennt sie nach dem ersten Takt an der Melodie, singt aber auch mit und benennt die Lieder anhand der ersten Zeile: „Fuchs du hast die Ganz gestohlen“ oder „Ein Männlein steht im Walde“.
- …sich integrieren und Regeln befolgen. Seit September geht Ronja in den Montessori-Kindergarten. Sie ist eines von drei oder vier Inklusionskindern und ist mittlerweile so gut integriert, wie man es sich nur wünschen kann: Ronja kennt alle Kinder und deren kompletten Anhang (Eltern) mit Namen: „Ada-Mama, Timea-Oma, Oskar-Papa“ und so weiter. Sie hat eingeführt, dass wir neuerdings zuhause vor dem Essen beten, wie im Kindergarten: „Erst beten wir“, hat sie uns vor ein paar Wochen belehrt, ihren vollen Teller von sich weggeschoben und die Hände gefaltet. Seitdem beten wir vor dem Essen.
- …ihr Kuschelbedürfnis beherrschen. Ebenfalls durch den Kindergarten und die natürlichen Reaktionen der anderen Kinder hat Ronja gelernt, nicht alle Kinder in den Arm zu nehmen oder sie ins Gesicht zu fassen. Eine große Erleichterung im Sozialen!
Ja, es gibt auch viele Herausforderungen mit unserem Kind. Und ja, längst nicht jedes Kind mit Down Syndrom entwickelt sich gleich – egal, wie gut die Eltern fördern. Zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2022 wollen wir unsere Kinder aber feiern und nur sprechen über all das, was gut ist.
Hallo, das ist ein wundervoller, sehr „sehender“ Beitrag, der mal nicht darum geht, was das Kind „trotz allem“ kann! Vielen lieben Dank dafür und für deine anderen Texte… leider kann man hier kein Foto einfügen, aber unser Sockenbild heute kann sich auch sehen lassen 🙂
Herzlichen Glückwunsch zum neuen Erdenbürger!
Und herzlichen Glückwunsch zu so einer tollen Entwicklung von Ronja! Habe mich sehr gefreut, darüber zu lesen. Ronja sieht so richtig stolz aus auf dem ersten Foto!
Liebe Grüße mit den besten Wünschen für die ganze Familie!
Gabi