In unserer Wohnung sind es immer noch 30 Grad. Ronja schläft, trotz der Hitze. Heute schon um halb zehn, das ist früh für sie und Glück für mich. In den letzten Wochen ist Ronja selten vor 22 Uhr zum schlafen zu bewegen gewesen. Wegen der Hitze, aber sicherlich auch deswegen, weil die Welt um sie herum so wahnsinnig aufregend und voller Überraschungen ist und um jeden Preis entdeckt werden muss.

Kleinkind mit Down Syndrom mit Mama im Grünen
Da Ronja so spät schlafen geht, konnte sie coole Gartenpartys im Partnerlook mit Mama besuchen.
Es sind sehr viele Eindrücke, die Ronja tagsüber sammelt, so dass sie abends das erste mal in ihrem Leben manchmal Probleme hat, in den Schlaf zu finden.

Deswegen gab es auch so lange keinen Beitrag mehr von mir. Wir können sie nicht mehr einfach in ihr Bett bringen und sie schläft dann eben ein, wenn sie müde ist. Ronja braucht es, dass sich jemand zu ihr legt, den sie spüren kann und an dessen Hals oder Ausschnitt sie sich beruhigend in den Schlaf knibbeln darf. Für mich ist es spektakulär zu beobachten und anstrengend zu begleiten gleichzeitig, wie unsere Tochter sich entwickelt. Sie erscheint mir wach und aufgeweckt wie nie. Klar, sie wird ja schließlich auch immer älter. Eigentlich selbstverständlich. Aber für mich reiht sich ein kleines Wunder ans nächste. Nicht unbedingt nur wegen Ronjas Trisomie. Hauptsächlich deswegen, weil mir bei jedem Entwicklungsschritt, den Ronja macht, einmal mehr vor Augen geführt wird, wie voraussetzungsreich und schwer zu erlernen all die Fähigkeiten sind, die wir irgendwann für selbstverständlich halten.

Ronja in rotem Kleid im Kinderwagen
Straßenfest bei 38 Grad: Ronja ist aufgeweckt, neugierig und kommunikativ wie nie

Ich staune angesichts der Wunderdinge, die ein Körper lernen kann und bin fasziniert davon erleben zu dürfen, wie ein kleines Bewusstsein mehr und mehr ausreift. Ronjas Down Syndrom spielt dabei vielleicht insofern einen Rolle, dass manches etwas mehr Zeit braucht und wir dadurch genauer hinsehen und Entwicklung wahrnehmen können. Zusätzlich staunen wir umso mehr, da letzlich gar nichts von all dem, was sie momentan lernt, selbstverständlich ist.

Ronja genießt die neue Freiheit, die neue Perspektive und die neuen Möglichkeiten des Stehen-Könnens in vollen Zügen.
Kleinkind mit Down Syndrom steht
Wo immer möglich zieht Ronja sich hoch. Stolzer geht kaum.

Sie zieht sich überall hoch und alles herunter, was sie unter strecken und recken erreichen kann. Sie hat verstanden, wie man Schubladen öffnet und dass der Inhalt selbiger weit spannender ist als das Spielzeug, dass die großen Leute versuchen, ihr aufzudrängen und sie beginnt – abgestützt – die ersten tapsigen Schritte zu wagen.

Geistig ist es fast mit den Händen greifbar, wie sich in Ronjas Kopf Kategorien bilden und ein räumliches oder geometrisches Vorstellungsvermögen entsteht. Sie ist fasziniert von Kugeln und sortiert diese korrekt in die im Spielzeg dafür vorgesehen Mulden ein. Wir haben ein Buch angesehen, da war eine Sonne abgebildet, die eben aussah wie einer dieser Bälle, mit denen sie so gerne spielt. Begeistert hat Ronja „dada“ gerufen und auf die Kugelsonne gepatscht. Eimerchen zum stapeln beginnt sie gezielt ineinander zu stecken und sie versteht mich auch, wenn ich sie bitte, ob ich einen der Eimer haben darf.

Ronja im Planscbecken
Ronja liebt diese Eimerchen. Seit Monaten bleiben sie spannend, denn man kann immer anders damit spielen…

Überhaupt ist geben und nehmen ein tolles Spiel und gaanz großes Thema momentan. Auch Objektpermanenz ist definitiv sehr, sehr klar vorhanden bei ihr: Ein anderes Lieblingsspiel ist es, Dinge herunter oder irgendwo hin zu werfen, ihnen nachzuschauen, um zu sehen was passiert und daruf zu hoffen, dass Mama irgend einen lustigen Versuch unternimmt, diese Dinge wieder aufzuheben.

Kind mit Trisomie 21 im Pool
…im Wasser kann man schöpfen und die Löcher im Boden entdecken. An Land hat Ronja anfangs am liebsten Eimertürme zerstört. Mittlerweile beginnt sie, diese selbst ineinander zu stecken.
Das Schönste für mich war heute zu sehen, wie Ronja mit herabbaumelnden Beinen auf der Sofakante saß und sich – zum Glück – nicht traute, herabzuspringen.

Erst hat sie überlegt. Dann hat meine Tochter mich angesehen, mir ihre Hände entgegengestreckt, damit ich sie beim herunterhopsen halte und „Ama“ (Mama) gesagt. Geistig bedeutet das: Gefahrenabschätzung wird abgeglichen mit Abschätzung der eigenen Fähigkeiten („wird nicht klappen“). Dann wird nach einer Lösung gesucht („Mama“), diese durch gelungene, sprachliche und nonverbale Kommunikation zur Hilfe aufgefordert („ama“) um so das Gewünschte zu erreichen.

Ich bin sehr stolz auf Ronja.

Kind mit Down Syndrom sitzt auf Treppe
Treppen hinauf krabbelt Ronja sehr gerne und ganz allein. Treppe hinunter muss man helfen und ihr die Hände geben: „Ama [gib Hand]“!

Da es so heiß und die Tage mit einer putzmunteren Saboteurin im Haus so erfüllend wie anstrengend sind, gibt es heute anstelle von viel Text viele schöne Bilder.

Kind macht "herabschauenden Hund"
Ronja ist sehr gelenkig. Der „herabschauende Hund“ ist die leichteste Übung. Sie kommt auch problemlos aus der Bauchlage über den Spagat ins Sitzen.
Kind mit Down Syndrom krabbelt
Krabeln ist nach wir vor nicht Ronjas liebste Fortbewegungsart. Momentan mixt sie kreativ und frei jeweils das, was wenigsten anstrengend und angesichts des Untergrundes am geeignetsten ist: krabbeln auf den Knien, krabbeln mit Popo in der Luft, Popo-rutschen, robben und laufen an Mamas Händen.
Foto aus Ikea-Katalog: Mädchen mit Down Syndrom
Das kam mir diese Woche durch Zufall in die Hände. Oft schon habe ich davon geschrieben, dass ich mir ein Baby mit Down Syndrom in der Windelwerbung wünsche. Bekomme habe ich ein Mädchen im Ikea-Katalog.

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