Vor meiner Zeit in Bayreuth habe ich in Bochum Philosophie studiert und mich dabei auch viel mit Bioethik beschäftigt. Ich weiß viel über die philosophischen Probleme den Beginn des Lebens zu definieren, über Ethik der Reproduktionsmedizin, Stammzellforschung und Pränataldiagnostik und ich hatte meine eigene, philosophisch sauber begründete und gut abgewogene Haltung zur Abtreibung; wohl austariert zwischen der Autonomie der Frau in Bezug auf ihren eigenen Körper und dem Recht des Kindes auf Leben.
Seit Ronja da ist, habe ich keine Position und keine Argumente mehr, sondern nur noch Liebe und Gefühl, stärker als ich es vorher jemals für möglich gehalten hatte.
Alle sagen einem, dass die Elternschaft alles verändert, aber so wirklich vorstellen konnte ich mir das nicht. Ich dachte, das sagt man halt so, wie die Windelwerbung sagt das Leben mit Baby sei eine einzige Kuschelparty.
„Wie kann es denn sein, dass wir immer wieder weinen müssen? Wir haben uns doch jetzt auf alles eingestellt und wir schaffen das schon.“ sagt Matthias zu mir und wir stellen gemeinsam fest, das liegt daran, dass unsere Sorgen eine ganz andere Dimension haben, da es nicht um uns, sondern um unser Kind geht. Die Vorstellung, ihr könnte etwas passieren oder sie könnte leiden ist weitaus schlimmer, als wenn es um uns geht. Das ist tatsächlich so und deshalb müssen wir immer wieder weinen.
Ronja war für mich schon ganz früh in der Schwangerschaft spürbar und ich hatte ein Verhältnis zu ihr. Matthias ist ein Wunder, für das ich unglaublich dankbar bin, indem er sie wahnsinnig liebt seit er sie spüren kann und sie durch den wachsenden Bauch sichtbar wird. Wenn ich sage, dass ich mir zu keinem Zeitpunkt vorstellen konnte, ihr etwas anzutun, dann kommt das direkt aus dem Herzen, weil ich ihre Mutter und sie mein Kind ist.
Ich spreche nur für Matthias und mich. Ich kann nichts begründen und wir können das, was wir emotional erleben, nicht mit Vernunft angehen.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich das früher so gesagt hätte, aber Vernunft, Begründungen und Kontrolle und Ausgewogenheit der Gefühle sind mir auch egal.