Wir haben sehr viel geweint in den letzten Tagen. Wir haben geweint, weil wir dachten, alles würde anders werden, als wir es uns vorgestellt haben. Weil unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt wird. Weil wir mit dem Schicksal gehadert haben und nicht wahrhaben wollten, dass ausgerechnet uns „so etwas“ passiert. Weil wir uns schuldig fühlten, obwohl wir gar nichts hätten beeinfussen können. Vor allem aber, weil wir uns große Sorgen machen um unser kleines Mädchen, das fleißig boxt und tritt, obwohl sein Herz und seine Muskeln doch so schwach sein sollen.

In den letzten Tagen und Stunden haben sich die Gründe, aus denen wir weinen müssen, allerdings langsam verändert. Diese neuen Gründe haben mich dazu gebracht, diesen Blog zu schreiben.

Wir haben in den letzten Tagen auch viel gelesen und gelernt. Wir wurden medizinisch und menschlich von tollen Menschen mit großer Ruhe aufgeklärt und haben mehr und mehr festgestellt, dass es sehr vieles gibt, auf das wir uns mit Ronja gemeinsam freuen können. Dass das Leben mit einem Kind mit Down Syndrom gar nicht so sehr von dem Leben anderer Familien verschieden sein muss. Wir haben verstanden, dass Ronja nicht unter dem Down Syndrom „leidet“ solange wir, als ihr Umfeld sie nicht leiden lassen. Ja, sie leidet (vielleicht) unter ihrem schwachen Herzen, oder unter der einen oder anderen Krankheit, aber unter dem Down Syndrom als solches ganz bestimmt nicht! Hierzu erzähle ich in einem späteren Beitrag mehr. Vor allem konnten wir nach dem ersten Schock wieder entdecken, dass wir uns sehr darauf freuen, unser kleines Mädchen kennen zu lernen, mit ihr zu leben und sie aufwachsen zu sehen.

Der Grund, warum wir dennoch viel weinen, ist die bloße Vorstellung, wir oder irgend jemand anders könnten Ronja ihr Recht auf Leben und Glück absprechen.

In dem großen Pränatalzentrum, in dem wir heute viele Stunden verbracht haben, hat man uns „größten Respekt für unsere Entscheidung“ gezollt und auch menschlich alle Unterstützung zugesichert, die wir nur brauchen. Es tut sehr gut, das zu wissen, aber für uns gab es niemals, zu keinem Zeitpunkt, eine Entscheidung! Ronja ist unser Kind, sie ist da und schmatzt Fruchtwasser und nuckelt am Daumen und tritt mich immer dann, wenn ich schlafen will – und man begückwünscht uns zu der Entscheidung, dieses Kind nicht zu töten!??

Wir sind eine so große Besonderheit in einer so großen Praxis, dass sich der Chefarzt noch einmal persönlich bei uns vorstellt und uns als bewundernswerter darstellt, als wir es sind. Schließlich hat es für uns die Entscheidung für oder gegen Ronja nie gegeben. Welche Eltern könnten sich denn vorstellen, sich für oder gegen das Leben ihres bereits geborenen Kindes zu entscheiden, nachdem dieses einen Unfall hatte?
Nicht anders ist es für uns bei Ronja. Wenn wir hierfür zu etwas Besonderem werden, dann hat diese Gesellschaft ein großes Problem.

90-95% aller Kinder mit Trisomie 21 dürfen nicht zur Welt kommen, haben wir heute erfahren.

Die meisten werden dank immer besserer Tests bereits in den ersten 3 Monaten der Schwangerschaft abgetrieben; darüber sprechen tut keiner gern. Den bloßen Gedanken, wie eine „Abtreibung“ bei unserem Kind im siebten Schangerschaftsmonat (anscheinend rechtlich bei Down Syndrom noch möglich!) aussehen würde, können wir nicht ertragen.

Wir weinen um all diese Kinder, die von Anfang an keine Chance haben, weil zwar viel über Früherkennung von Trisomie 21 gesprochen wird, aber viel zu wenig darüber, wie sich damit leben lässt und wie bunt das Leben durch diese Kinder werden kann.
Und wir weinen darum, dass unser Kind es vielleicht schwerer haben wird als nötig, weil Vielfalt und Anderssein zur Ausnahme geworden sind.

Deswegen gibt es diesen Blog.

Ich weiß nicht, wie lange es ihn geben wird, ob sich die Form irgendwann ändert, oder ob er vielleicht sogar öffentlicher wird. Wie so vieles werde ich auch das auf mich zukommen zu lassen. Erstmal ist der Blog dazu da, euch ein bisschen zu informieren, wenn ihr es möchtet.

Wir möchten ein paar Infos zum Down Syndrom mit euch teilen, damit ihr besser wisst, auf welche Chancen wir uns freuen und vor welchen Herausforderungen wir Angst haben.
Wir möchten immer mal wieder über Ronja und uns berichten und darüber, wie es uns, ihr und ihrem Herzchen geht.
Und wir möchten natürlich auch all die schönen Dinge zeigen, die uns erwarten: Die ersten Bilder von ihr, ihre Entwicklung und schließlich einfach unser Glück, ein wundervolles kleines Mädchen bekommen zu haben, von dem wir mit Sicherheit viel lernen werden.

Danke für eure tolle Reaktionen und dafür, dass sie euch so willkommen ist.

Weil wir sie jetzt schon so sehr lieben!

Gundula und Matthias

 

 

 

 

Ein Gedanke zu „Für all die anderen Kinder

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