Gestern bin ich eher zufällig auf die Seite von „Touchdown 21“ gestoßen, einem wirklich interessanten Forschungsprojekt, in dem Menschen mit und ohne Down Syndrom gemeinsam wissenschaftlich tätig sind und uunter anderem zur Geschichte des Down Syndroms forschen. Wir haben einige Mitglieder des Projektes beim Sommer und Jubiläumsfest des DS Infocenters kennen gelernt und waren so begeistert, dass wir Ronja spaßeshalber gleich schon mal für „Touchdown Mini“ angemeldet haben, der Kinder- und Jugendgruppe des Projektes ;-). Es gibt eine Wanderausstellung und ein Buch zu „Touchdown 21“ und auch die Homepage ist wirklich lohnend, eben weil sie zu großen Teilen von Menschen gestaltet wird, die selber unter den Bedingungen einer Trisomie 21 leben.

Warum erzähle ich das alles? Ich erzähle es um das, was ich eigentlich sagen möchte, in den richtigen Kontext einzubetten.

Und zwar bin ich gestern ebenfalls eher zufällig auf die Unterseite „Zahlen und Fakten“ zum DS gestoßen. Auch die Zahlen und Fakten sind gut, ungewöhnlich und interessant dargestellt und ausgewählt, aber nachdem ich sie gelesen habe, ging es mir trotzdem nicht gut.

Ronja schläft
Ich forsche immer, ob Ronja mir schon ein bisschen ähnlich sieht…
Ich habe festgestellt (und damit hat „Touchdown 21“ am allerwenigsten zu tun), dass ich einfach ganz allgemein nichts mehr über Lebenserwartung, Krankheiten, Krankheitsdispositionen, Intelligenzquotienten usw. von Menschen mit DS lesen möchte.

Das ist meine ganz individuelle Einsicht, die erstmal nur für mich gilt und mit der ich niemandem sonst irgend etwas vorschreiben möchte. Es tut mir nicht gut und es verstellt mir den unbefangenen Blick auf meine Tochter, der es momentan wirklich einfach nur gut geht. Das ist alles, was zählt. Und das möchte ich mir nicht eintrüben lassen.

Während der Schwangerschaft mit Ronja dachte ich noch, dass ich mich nun mal mit der entsprechenden Fachliteratur beschäftigen müsse, um mich eben „auf sie vorzubereiten“. Ich habe zwar registriert, dass es mich irgendwie von meinem Kind entfremdet, dachte aber, das sei mein persönliches Problem. Heute weiß ich: Es war das Problem der (für mich) falschen Lektüre…

Ich finde es sehr schwer, für dieses Gefühl oder diese Einsicht die richtigen Worte zu finden, denn Forschung und Aufklärung über Trisomie 21 sind ja unbestreitbar furchtbar wichtig.

Mit Ronja im Biergarten
Ronja liebt Ausflüge. Sobald sie im Carrier oder Tragetuch sitzt, ist sie selig. (Hose: Babauba)
Es stört mich aber mittlerweile ganz massiv, dass die Aufklärung über (mögliche) medizinische und kognitive Probleme überall dort, wo es um Trisomie 21 geht, einen solchen Stellenwert einnimmt.

Als wäre dies alles, oder zumindest die Hauptsache, die man über das Down Syndrom zu berichten hat (ich meine damit nicht „Touchdown21“ – die waren tatsächlich nur der Auslöser für meine Erkenntnis).

Bevor Ronja da war habe ich gedacht: Ja, vielleicht ist das so. Vielleicht wird es in Zukunft mit ihr nur um Krankheiten gehen und ich muss mich halt daran gewöhnen, wenn ich ein behindertes Kind bekomme.

Seit Ronja aber geboren ist, weiß ich, dass es sicherlich nicht so ist. Auch unsere Tochter hat einen schweren Herzfehler, an dem sie unbehandelt vermutlich innerhalb weniger Monate sterben kann. Man kann mir also nicht vorwerfen, dass ich nicht wüsste, wovon ich rede. Ich möchte deswegen aber trotzdem nicht, wo immer ich über Trisomie 21 lese, darüber informiert werden, dass sie z.B. ein erhöhtes Risiko hat, Leukämie zu bekommen. Das ist, als würde man auf jeder Eltern-Info-Seite einen extra Unterpunkt dazu einrichten, dass das neugeborene Baby mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit irgendwann mal Krebs bekommen wird. Ich habe diese Überlegungen schon in einem früheren Beitrag einmal versucht, anschaulich zu machen.

Es ist nicht verkehrt, dies und noch einiges andere zu wissen, klar. Aber es gehört nicht so in den Vordergrund.

Ronja und ihr Vater
Liebe
In den Vordergrund gehören Fragen dazu, in welchen Bereichen Menschen mit DS sich von unserer Gesellschaft behindert fühlen, wie sie selbst bezeichnet werden möchten, wie man sie bei Problemen mit unserem Lernsystem unterstützen kann, was sie sich wünschen, wie sie leben, etc.

Viele dieser Fragen werden übrigens von „Touchdown 21“ tatsächlich sehr prominent behandelt.

Für mich bedeutet das nun: Ich lese tatsächlich nur noch das, was auch direkt etwas mit Ronja zu tun hat.

Momentan sind das eher allgemeine Dinge über Baby- und Gehirnentwicklung. Ich habe das Gefühl, Ronja gefällt genau das, was allen Säuglingen gefällt und sie braucht genau das, was alle Säuglinge brauchen. Wenn die Physiotherapeutin uns zusätzlich darauf aufmerksam macht, dass viele Kinder mit DS später zu schwachen Sehnen und einem schwachen Fußgewölbe neigen, dann gehört das zu den Dingen, die natürlich wichtig sind zu wissen. Wir können nämlich vorbeugend etwas dagegen tun, indem wir Ronja beim Wickeln regelmäßig ihre Füßchen bewegen und massieren. Dies ist die Art von Information, die wir wirklich brauchen, denn sie hat unmittelbar mit Ronja zu tun. Sie bezieht sich nicht auf irgendwelche diffusen Risiken, gegen die wir sowieso nichts ausrichten können.

Für mich bedeutet das weiter: Ich werde auf diesem Blog keine irgendwie gearteten allgemeinen medizinischen Infos oder sonstige Aussagen über das Down Syndrom mehr tätigen.

Ich werde nur noch über das berichten, was unmittelbar mit Ronja zu tun hat. Das ist dann eine einseitige Berichterstattung, klar. Ich hoffe sehr, dass sie einseitig positiv sein wird, weil ich hoffe, dass es Ronja weiterhin so gut geht. Ich denke, einige werden das als „beschönigend“ empfinden. Das ist es auch in gewisser Weise. Gleichzeitig schaft es aber vielleicht gerade im Gegenteil einen Ausgleich zu all den Berichten, in denen Trisomie 21 in einem Atemzug mit Krankheit, Abtreibung, Behinderung und Trauer genannt wird.

 

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