30. Schwangerschaftswoche, oder: Mitten im 8. Monat. Ich bin im 3. Trimester angekommen.

Ronja und ich steuern so langsam auf die Zielgerade zu. Sie wächst fleißig und ich merke: Ja, der genüssliche Teil der Schwangerschaft ist tatsächlich so langsam vorbei. Ich werde von Tag zu Tag unbeweglicher und auch die Müdigkeit, die ich noch aus dem ersten Drittel der Schwangerschaft kenne, kehrt an manchen Tagen zurück.

Wenn ich dann mal wieder viel weniger schaffe, als ich mir vorgenommen hatte, macht  mich dies zwar immer noch nicht unbedingt glücklich, aber ich kann es viel besser akzeptieren, als zu Beginn meiner Schwangerschaft. Die anstrengende Zeit nach der Geburt ist ja jetzt viel näher gerückt, da fällt es viel leichter, die „Ruhe vor dem Sturm“ noch einmal zu genießen.

Bild: Auf der Zielgeraden
Nein, dies ist kein aktuelles Bild von mir 😉

Wenn mir dann mal wieder die Beine weh tun, ich auch nicht richtig sitzen mag weil Baby mir die Lunge und den Magen abdrückt, mir im Liegen aber wiederum das Essen hochkommt, dann lenke ich mich ab, indem ich danach spüre, wie es meinem Baby so geht. Ich erzähle ihr etwas von mir oder der Welt, ich schicke ihr Gedanken und versuche, ihre aufzufangen. Überhaupt versuchen wir, Ronja so viel wie möglich bei allem was wir tun miteinzubeziehen.

Wusstet ihr, dass man bis in die 80er Jahre hinein Neu- und Frühgeborene ohne Narkose operiert hat?

Man war der Meinung, dass sie kaum Schmerz spüren können. Genauso wie dies heute bei uns Entsetzen auslöst, wird es in ein paar Jahren unvorstellbar sein, das Baby im Mutterleib nicht ganz selbstverständlich in alles miteinzubeziehen, nicht mit ihm zu sprechen, es nicht zu streicheln.
Immerhin ist ja mittlerweile bekannt, dass Babys im Mutterleib etwas davon spüren. So weiß man zum Beispiel, dass Babys vorgeburtlich oft gehörte Melodien und Verse nachgeburtlich eindeutig erinnern und später im Zweifelsfall deutlich schneller, fast wie von selbst, erlernen. Was im Mutterleib beruhigend war, gibt nach der Geburt Halt und schafft Wohlbefinden. Welches Ausmaß und Relevanz dieses vorgeburtliche Bewusstsein tatsächlich hat, wird noch für viel Überraschung sorgen.

Ich mache mir auch zunehmend Gedanken über Ronjas Geburt.

Das ist ganz normal für die  letzten Wochen der Schwangerschaft. Ja, einerseits.
Andererseits sind es auch spezielle Gedanken zu ihrem Herzchen, die ich habe. Und zwar hat man uns ja gesagt, dass wir eine natürliche Geburt anstreben können und sollen, dass diese aber auf einen Kaiserschnitt hinauslaufen könnte, sollte Ronjas Herzchen durch die Geburt zu sehr gestresst werden…

Bis vor wenigen Jahrzenten war es gängige Lehrmeinung, man müsse Frühchen möglichst ungestört im Inkubator liegen lassen, da jede unnötige Berührung sie zusätzlich schwächen könnte, schreibt Julia Wodfield in ihrem empfehlenswerten Buch zur Babymassage. Ein unvorstellbar unmenschliches Verhalten, wie man heute weiß: Erwiesermaßen ist viel Hautkontakt, Ansprache und Berührung für Babys wichtiger als Essen und Trinken und bewirkt ein deutlich besseres Gedeihen und eine geringere Sterblichkeit.

Könnte es in Ronjas Fall genauso sein, dass man ihr und ihrem Herzen einfach aus übertriebener Vorsicht und/oder mangelndem Wissen zu wenig zutraut?

Könnte es sein, dass gerade die Kontraktionen, die „Massage“ und die Anstrengung unter der Geburt ganz wichtig für sie sind, um gut und stabil in der Außenwelt anzukommen? Tierkinder werden nach der Geburt ausgiebig geleckt, um Herz-Kreislaufsystem anzuregen und zu stabilisieren. Menschen tun dies bei ihren Kindern in kaum einer Kultur und haben diese auch historisch nie getan. Liegt das daran, dass die ungewöhnlich lange Geburtsdauer des Menschen und die damit verbundene, starke „Massage“, die das Baby durch die Wehen erfährt, dieses Lecken ersetzt? (vgl. Julia Woodland, Gesunde Kinder Kinder fördern, kranke Kinder heilen).

Könnte es sein, dass wir Ronja möglicherweise aus falscher Vorsicht ein wichtiges Erlebnis rauben? Natürlich ist die Möglichkeit des Kaiserschnitts überhaupt ein großer Segen und natürlich würde wir unser Kind niemals unnötigerweise gefährden, indem wir notwendige medizinische Eingriffe verweigern, das möchte ich glasklar sagen. Aber das bisschen historisches Wissen, das ich habe, lässt in mir zumindest die Frage aufkommen, welche medizinischen Eingriffe wann wirklich „notwendig“ sind und welche Interventionen eher unnötig sind oder gar schaden.

Ich denke, dies ist ein Thema mit dem wir es noch häufiger, nicht nur im Kontext der Geburt zu tun haben werden.

 

 

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