„Downies brauchen bis 2 Jahre, bis sie laufen lernen“. „Wahrscheinlich geht Ronja dann ja bald zu Marie in die SVE (=Schulvorbereitende Einrichtung des Heilpädagogischen Zentrums)“. „Waaas, du gehst schon wieder arbeiten? Jawohl Teilzeit? Waaas, Vollzeit? Wow…“. Letzteres „Wow“ möge man sich bitte vorstellen mit genau dem passiv-aggressiven Unterton, zu dem nur Mütter in der Kommunikation untereinander fähig sind.

Derartige Sätze habe ich lange nicht gehört, weil ich gearbeitet habe, anstatt mich in Müttergruppen und unter (Heil-)Pädagogen zu bewegen.

Das mag auch mit ein Grund sein, warum es längere Zeit keinen Beitrag von mir gab: Es geht mir sehr gut. Da hatte ich wenig Bedürfnis, zu schreiben. Ich habe Kollegen, die ein ganz normales gleichgültig bis freundliches Interesse an Ronja haben und mit denen ich hin und wieder ein paar Anekdoten unter Eltern austauschen kann. Sie interessieren sich eher für Ronja, als für ihr Down Syndrom. Sie glauben nicht, alles über mein Kind zu wissen und sie beginnen ihre Sätze nicht mit „Downies…“.

Bild: Baby mit Down Syndrom mit Einhorn
Ronjas derzeit bester Freund und erste große Liebe…

So etwas tun nur Heilpädagogen. Ich mag das nicht und ich merke, dass es mich (neben der latenten Aggressivität und Frustration der anderen Mütter) umso mehr trifft, je weniger ich es gewohnt bin. Deswegen gibt es diesen Beitrag, denn immer wenn mich etwas ärgert, dann schreibe ich darüber.

Warum bitte sind ausgerechnet die Menschen, die es eigentlich qua Ausbildung am besten wissen müssen, oft am unsensibelsten und politisch inkorrektesten gegenüber ihrer eigenen Klientel?

Warum wird es in heilpädagogischen Zirkel (im weitesten Sinne) als völlig unproblematisch empfunden, unreflektierte, diskriminierende und darüber hinaus oft auch schlicht falsche Allgemeinplätze von sich zu geben? Das Wort „Downie“ ist nicht unproblematisch. Auch wenn es „nicht abwertend gemeint“ ist, ist es abwertend. Man spricht von „Downies“ (für Menschen mit Down Syndrom) genauso wenig, wie man von „Rollies“ (für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind) spricht, oder von „Krebsies“ (Menschen, die Krebs haben). Durch diese Ausdrucksweise wird das Down Syndrom als wichtiger dargestellt als die Persönlichkeit meines Kindes. Das ist beleidigend. Ronja ist Ronja. Sie ist ein kleines Mädchen. Und sie hat (neben vielen anderen Eigenschaften und Merkmalen) das Down Syndrom.

Bild: Baby mit Down Syndrom im Garten
Eine von Ronjas Eigenschaften: Sie hasst die Sonne…
Darüber hinaus wird Ronja, wenn ich es irgendwie vermeiden kann, sicherlich nicht in irgend etwas gehen, das sich „Einrichtung“ nennt.

Sie wird ganz sicher auch nicht den Weg gehen, den Heilpädagogen schon glauben, für sie vorgezeichnet zu sehen. Genauso wenig wie ich den Weg gegangen bin, den andere für mich vorgezeichnet gesehen haben. Ich arbeite Vollzeit, schon bevor Ronja ein Jahr alt ist und obwohl sie eine Behinderung hat und wir sind alle drei sehr glücklich damit.

Heilpädagogische Zentren machen sicherlich großartige Arbeit, bitte versteht mich hier nicht falsch. Aber es stört mich massiv, dass so viele Menschen in diesem Bereich tatsächlich glauben zu wissen, was gut ist für Ronja, ohne dass sie sie im mindesten kennen. Und warum bitte, liebe Leute, muss man sein Angebot „Einrichtung“ nennen? Warum kann es nicht einfach ein Kindergarten sein (übrigens einer der Exportschlager der deutschen Sprache…)?

Ich stelle fest, dass es mir tatsächlich sehr gut getan hat, keine Mutter-Kind-Kurse wie den, zu dem heute ausnahmsweise ich, statt Matthias, mit Ronja gegangen bin, zu besuchen. Ich werde das in Zukunft weiter konsequent vermeiden.

Ronja ist kein Downie. Sie geht in keine Einrichtung. Vielleicht läuft sie auch erst mit drei. Oder mit vier. Oder nächste Woche schon.

Ihre Mutter geht mit ihr zu keinen Kursen und ihre Mutter lässt sie viele Stunden am Tag alleine beim Papa. Und alles ist gut, genauso, wie es ist.

3 Gedanken zu “Über „Downies“ und dergleichen

  1. Weiter so!!! 🙂 :):)
    Obwohl die anderen Mamas, mit denen ich mich umgebe, alle „cool“ (wie ich ;)) sind, höre ich immer wieder von anderen Eltern/Mama, die immer alles besser wissen. Ihr macht das super! Und übrigens lese ich deinen Blog sehr gerne!
    LG aus Wien von mir mit meinen 2 Hasen: Mädchen (fast 4 Jahre), Bub (16 Monate, auch specialedition)

  2. Danke für diesen wundervollen Beitrag; ich musste sehr schmunzeln, weil du so Recht hast und deine Worte gleichzeitig so amüsant formuliert sind :o)!
    Liebe Grüße
    Judith

  3. Oh ja, dieses Gefühl kann ich sehr gut nachvollziehen: die Profis wissen vermeindlich genau, um was es geht…
    Ich war mit meinem Sohn (mit +) in einer eigentlich kleinen und feinen Eltern-Kindgruppe der Frühförderung. Die Leiterin meinte immer, dass sie möglicherweise uns belastende und unerkannte Themen herausfinden und besprechen müsste. Immer wenn sie aus dem Raum ging, haben wir uns munter und wie alle Eltern über alle möglichen Themen ausgetauscht, die Schwere hatte es nur im Beisein der „Therapeutin“, die sich sehr wichtig vorkam.
    Aber wir haben auch viele andere prima Therapeutinnen kennen gelernt, die „ganz normal“ waren und mit denen es Spaß gemacht hat, zusammen zu arbeiten – mit Erfolg! Unser Sohn ist jetzt 12 Jahre, fit und pubertierend und geht auf eine inklusive Montessori-Schule (). Im Nachhinein ist es völlig egal, ob er mit 15 oder 19 oder 23 Monaten gelaufen ist.
    Jahr für Jahr waren unsere Urlaubsmotti nacheinander: Wandern ohne Wagen, wandern ohne tragen, wandern ohne klagen,… bis hin zu Wandern ohne Verzagen, Wandern mit Behagen…
    Alles Gute weiterhin mit eurer Süßen! Da warten sicher noch viele tolle Überraschungen!

    P.S. Danke für deinen lesenswerten Artikel in unserer „Fachzeitschrift“ Leben mit DS!

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