„Hätte man denn das nicht verhindern können?“
Ich bin von Herzen froh, dass uns diese Frage bisher nicht begegnet ist. Aber wir haben von Eltern anderen gehört, die damit konfrontiert wurden.
Weiter haben wir das Glück, Ärzte um uns herum zu haben die uns stärken und Mut machen und sich bestmöglich um Ronja kümmern werden. Auch das, so haben wir gehört, ist nicht selbstverständlich.
Auch wenn es also nicht darum geht, ob sich irgend etwas hätte verhindern lassen, so fragt ihr euch doch vielleicht, wie und auf welchem Wege wir zu der Diagnose gekommen sind. Das ist die Frage nach der Haltung zur Pränataldiagnostik.
Die zeigt in unserem Fall, wie segensreich sie sein kann. Es gibt nichts, was wir auf unserem bisherigen Weg anders machen würden und nichts was hätte besser laufen können: Während der ersten 3 Schwangerschaftsmonate gibt es eine Menge von Tests, die man machen kann, um das Risiko einzuschätzen, ob das eigene Kind vieleicht krank oder behindert wird. Jeder dieser Tests gibt eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zurück, aber kein definitives Ergebnis. Je nach „Risiko“ werden dann häufig weitere Untersuchungen gemacht, oder eben nicht. Die einzig sicheren Ergebnisse liefern die Fruchtwasseruntersuchung oder ein neuartiger Bluttest.
Wir haben ganz zu Beginn der Schwangerschaft entschieden, keines dieses sogenannten Ersttrimester-Screenings machen zu lassen, da es für uns nichts geändert hätte, außer dass wir uns bei einer hohen Wahrscheinlichkeit für eine Behinderung wahrscheinlich viele Sorgen gemacht hätten, ohne Sicherheit zu bekommen. Die Fruchtwasseruntersuchung hätten wir nicht gemacht, da sie in der Frühschwangerschaft mit einem recht hohen Fehlgeburtsririko verbunden ist. Den Bluttest hätten wir nicht gemacht, weil er nicht von der Krankenkasse übernommen wird, sehr teuer ist und, wenn ich das richtig verstanden habe, auch einige Ungenauigkeiten im Ergebnis hat.
Und Ronja hat sich ganz vehement bei mir „eingenistet“ und mir das Gefühl gegeben, dass sie jetzt unübersehbar und unüberfühlbar endlich da ist und ganz bestimmt nicht mehr gehen wird.
Gekommen, um zu bleiben. Und sie hat sich auf den ersten Ultraschallbildern prächtig entwickelt.
Um die 20., 21. Schwangerschaftswoche herum steht dann ein weiter, etwas genauerer Ultraschall an. In unserem Fall wurde gleich ein sogenannter Feinultraschall gemacht, bei dem man ziemlich genau sehen kann, ob sich alle Organe gut entwickeln. Dabei nun ist ihr Herz aufgefallen und auch ein paar andere Kleinigkeiten, die für sich genommen keine Bedeutung haben, zusammen aber sehr stark darauf hindeuteten, dass sie Trisomie 21 hat. Wir haben uns noch am Tag der Diagnose entschieden, eine Fruchtwasserpunktion machen zu lassen.
Damit haben wir unser Kind gefährdet. Im schlimmsten Fall wäre Ronja dadurch viel zu früh auf die Welt gekommen, hätte aber wahrscheinlich überlebt. Wir wollten es aber sicher wissen. Wollten einfach Gewissheit, worauf wir uns einstellen müssen und wollten vermeiden, nach der Geburt unseres Kindes in betroffene Gesichter schauen zu müssen, die nicht wissen, ob es angemessen ist zu gratulieren, oder nicht, oder wie man sich sonst verhält.
Ärzte wissen viel über Risiken und Schmerzen und Funktionen, aber sie wissen wenig über das Wissen des Körpers und die Verbindung zwischen Mutter und Kind.
Die Fruchtwasserpunktion ist nicht schmerzhafter als eine Blutentnahme. Das ist wahr. Man sticht mit einer langen Nadel duch die Bauchdecke und die Gebärmutter in die Fruchtblase um dort etwas Fruchtwasser zu entnehmen.
Dass sich mein ganzer Körper dagegen wehrt, weil es zutiefst falsch ist, was da passiert, dass jede Faser meines Körpers danach schreit, wegzulaufen, weil mein Kind in Gefahr ist, weil dort keiner reinstechen darf, ich aber ganz still liegen muss, eben damit ihr nichts passiert, das hat kein Arzt gewusst und wahrscheinlich auch gar nicht wissen können. Ich habe geschwitzt, mir war übel und schwindlig und ich habe innerlich mit meinem Kind gesprochen und ihr versucht zu erklären, dass sie sich nicht fürchten muss vor dem, was da passiert, dass wir sie nicht testen, um sie zu töten, sollte sie diesen test nicht bestehen und dass es mir leid tut, sie so zu gefährden.
Trotzdem war es für uns richtig, das zu tun. Mit der Unsicherheit bis zur Geburt hätten wir sehr schwer umgehen können. Die endgültige Diagose haben wir dann per Schnelltest 2 Tage später erhalten.
Ich hatte ja schon erwähnt, dass wir die Geburt für Ronja und mich nun, da wir von dem Herzfehler und Down Syndrom wissen, viel sicherer gestalten können. Wir hatten ursprünglich geplant, in einem kleinen Krankenhaus ohne Kinderklinik zu entbinden. Das ist nun nicht mehr möglich und Gott sei Dank wissen schon vorher davon.
Soviel zur Pränataldiagnostik. Sie ist Fluch, weil sie zur Selektion von Menschen führt, aber in unserem Fall ist sie auch Segen.