Diese Woche debattiert der Bundestag darüber, ob der Bluttest auf Trisomie 21 („Präna-Test“) zur Kassenleistung werden soll. Morgen Donnerstag, am 11.04. kommt um 18:30 ein Bericht dazu in der br „Rundschau“, in der auch ich mich zu dem Thema äußere. Durch den Präna-Test ist es möglich, Trisomie 21, 18 und 13 allein anhand einer Blutprobe der werdenden Mutter zu diagnostizieren. Anders als das momentan verbreitete und von den Kassen bezahlte Verfahren der Fruchtwasserpunktion ist der Bluttest für Mutter und Embryo sehr risikoarm.

Nachdem wir damals von Ronjas Herzfehler wussten, haben wir uns entschieden, eine Fruchtwasseruntersuchung machen zu lassen. Wir wollten uns darauf vorbereiten können, ob Ronja Trisomie hat, oder nicht. Hätte es damals den Bluttest im Leistungskatalog der Krankenkassen, gegeben, wir hätten ihn gemacht. Natürlich hätten wir, denn wenn man die Methode Fruchtwasserpunktion und Bluttest medizinisch auf Risiken und Sicherheit der Ergebnisse hin vergleicht, ist letzteres Verfahren der klare Sieger.

Auch als Mutter einer kleinen, wundervollen Tochter mit Down Syndrom bin ich nicht grundsätzlich dagegen, diesen Test durch die Kassen zu finanzieren.

Erstens weil es Fälle wie meinen gibt, in dem ich das Verfahren durchaus für sinnvoll anwendbar halte, zweitens weil medizinischer Fortschritt grundsätzlich allen Menschen, unabhängig von ihrem Geldbeutel, zugänglich sein sollte.

Die Entscheidung und Verantwortung für die Art und Weise, wie die Möglichkeit zu einem solchen Test gehandhabt wird, darf allerdings auf keinen Fall den Krankenkassen überlassen werden.

Die Krankenkassen werden so entscheiden, dass es ihre Kosten minimiert. Kosten minimiert man, indem man (potentiell) Kosten verursachende Faktoren von vornherein eliminiert. Wie zum Beispiel Babys mit Down Syndrom.

Diese Logik gilt nicht nur für Trisomie 21. Sie gilt grundsätzlich. Insofern geht die Debtte um den Präna-Test uns alle an, denn wenn wir heute Menschen mit Down Syndrom selektieren, welche unerwünschten genetischen Voraussetzungen werden es morgen sein? Wenn wir heute entscheiden, dass schwächere oder einfach andere Mitglieder unserer Gesellschaft unerwünschte Kostenfaktoren sind, wann werden wir mit der Giftspritze am Bett unserer Alten und Kranken stehen?

Die Entscheidung darüber, wie wir mit dem Bluttest und generell mit den Möglichkeiten der Pränataldiagnostik umgehen ist eine, die uns als Gesellschaft in ihrer Gesamtheit angeht und auch prägen wird.

Das Thema selbst und auch meine Haltung zum Bluttest sind komplex, das ist wahrscheinlich schon deutlich geworden. Ich möchte dennoch versuchen, meine Position hierzu in 7 Punkten möglichst klar darzustellen.

  1. Der Bluttest ist nicht in der Lage Krankheiten zu diagnostizieren, sondern er gibt lediglich Auskunft darüber, ob eine Trisomie beim Ungeborenen vorhanden ist. Trisomie an sich ist keine Krankheit. Wenn der Pränatest als alleinstehendes Screening-Instrument angewendet wird, ohne dass weiteren Diagnostikverfahren ihn flankieren, dann bedeutet dies, dass Menschen mit Trisomie allein aufgrund ihres Andersseins aussortiert werden sollen. Das darf nicht geschehen.
  2. Eltern empfinden bereits jetzt großen Druck dahingehend, sich den vorhandenen pränataldiagnostischen Verfahren zu unterziehen. Viele haben bereits jetzt Sorge, ihr Kind mit Down Syndrom könnte von der Gesellschaft als „vermeidbares Unglück“ abgelehnt und ausgegrenzt werden. Die Einführung des Bluttests auf Trisomie 21 als Kassenleistung wird diesen Druck massiv verstärken, wenn nicht seitens der Zivilgesellschaft mit großem Engagement und großer Vehemenz deutlich gemacht wird, dass Menschen mit Down Syndrom liebenswerter, lebenswerter und selbstverständlicher Bestandteil unserer Gemeinschaft sind und bleiben sollen.
  3. Die Politik der Krankenkassen erzeugt Druck auf Eltern in mehr als eine Hinsicht. Eine Trisomie 21 ist anerkannter Grund für eine Abtreibung. Die Diagnose derselben ist den Krankenkassen einiges an Geld wert. Eltern allerdings, die ein Kind mit Down Syndrom zur Welt bringen und erziehen, müssen in ermüdenden Widerspruchsverfahren für jegliche Unterstützung kämpfen. Dieselben Kinder, die vorgeburtlich als so schwer „krank“ eingestuft wurden, dass man Ihnen das Recht auf und Interesse am Leben abspricht, sind in den Augen der Krankenkassen nachgeburtlich plötzlich so gesund, dass es nicht nötig ist, sie mit Hilfsmitteln, Therapien etc. zu unterstützen. Solange diese Politik geduldet wird, werden Eltern deshalb zu einer Abtreibung getrieben, weil sie sich dem Kampf gegen die Krankenkassen nicht gewachsen sehen. Dies widerspricht im Kern dem Grundgedanken einer solidarischen Gesellschaft, dem eigentlich auch die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet sind.
  4. Es wird viel von „Wahlfreiheit“ der Frauen gesprochen. Ich halte die Autonomie der Frauen in Bezug auf ihren eigenen Körper für ein hohes Gut. Ich bin dafür, dass Frauen das Recht haben, sich für eine Abtreibung zu entscheiden. Es ist ein großer Gewinn, dass dieses Recht einst erstritten wurde. Aber eine Schwangerschaft ist eine mit nichts vergleichbare Sondersituation, in der Mutter und Kind untrennbar miteinander verbunden sind. Dass eine Frau das Recht hat, ihre Interessen im Konfliktfall über das Lebensrecht ihres Kindes zu stellen, bedeutet nicht, dass dessen Lebensrecht nicht wichtig ist. Es ist insofern zynisch, von „Wahlfreiheit“ der Frauen zu sprechen. Wenn diese „Wahl“ auf Kosten ungeborenen Lebens geht, dann ist es keine Freiheit, sich gegen ein Kind zu entscheiden, sondern es ist eine traurige aber legitime Entscheidung in einer (aus welchen Gründen auch immer) als ausweglos erlebten Situation. Als Gesellschaft sollten wir daran arbeiten, Abtreibung unnötig zu machen, anstatt sie zu bagatellisieren.
  5. Der Bluttest und andere pränataldiagnostische Verfahren zur Erkennung einer Trisomie suggerieren, das es irgendeine Art der Therapie bei positivem Befund gibt. Das ist nicht der Fall. Es geht medizinisch nur darum, die Schwangerschaft abzubrechen oder nicht.
  6. Der Pränatest vermittelt den Eindruck, man habe, nachdem man sich allen derzeit möglichen Diagnostiken unterworfen hat, so etwas wie die Garantie auf ein gesundes Kind. Auch das ist falsch. Trisomie 21 macht einen sehr geringen Anteil an den Behinderungen und Krankheiten aus, mit denen ein Kind auf die Welt kommen kann. Die meisten davon lassen sich vorgeburtlich nicht diagnostizieren. Der noch viel größere Anteil der Behinderungen und chronischen Krankheiten wird während der Geburt oder im Laufe des Lebens erworben.
  7. Was ist so schlimm an einer Trisomie 21, dass in der gesamten Debatte um den Pränatest wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, das Down Syndrom sei ein hinreichender Grund dafür, ein Kind abzutreiben? Was ist so schlimm daran, ein Kind zu haben, das anders ist, das wahrscheinlich ein bisschen langsamer lernt als andere Kinder? Was sagt es aus über uns als Gesellschaft, dass es weitgehend unhinterfragt als völlig legitim gilt, menschliches Leben zu vernichten, nur weil es eine genetische Varianz aufweist?
Der medizinische Fortschritt wird sich nicht aufhalten lassen. Unsere Aufgabe als Gesellschaft ist es, ihn zu kanalisieren.

Der Bluttest auf Trisomie 21 darf in den Leistungskatalog der Kassen aufgenommen werden, aber parallel dazu muss spätestens jetzt endlich die Inklusion gelebt werden, die derzeit in aller Munde, bisher aber in wenigen Herzen und noch weniger im Alltag angekommen ist. Wenn uns das erste Baby mit Down Syndrom aus der Windelwerbung anstrahlt, dann wird auch der Bluttest auf Down Syndrom nicht zur flächendeckenden Selektion von Kindern wie Ronja führen, weil man sieht, was es bedeutet, ein Baby mit Down Syndrom zu bekommen: Viele Sorgen, volle Windeln, wenig Schlaf, aber auch sehr viel Glück. Wie bei jedem Baby.

2 Gedanken zu “Der Bluttest auf Trisomie 21 als Kassenleistung – Was ich dazu denke

  1. Wir können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen, aber grundsätzlich würde ich mir eine Zeit wünschen ohne vorgeburtliche Diagnostik, die die „Qualität“ eines Ungeborenen auf den Prüfstand stellt. Wieviele „Tests“ zur Qualitätssicherung muss eine Baby erst bestehen ehe es Zutritt auf diese Welt haben darf? Außerdem gibt es viele andere „Qualitätsmängel“ jenseits der Trisomien, die sogar viel gravierender sein können als bspw. Trisomie 21. Oder man bedenke, ein Sauerstoffmangel bei der Geburt kann ein genetisch kerngesundes Baby in Minuten zum Pflegefall machen. Viele Eltern wollen mittlerweile vorgeburtliche Tests eigentlich nur zur Beruhigung ohne eigentlich ernsthafte Befürchtung , es ist eine „sicher ist sicher“- Mentalität entstanden. ( sogar zunehmend unter Christen) Weil man ja die 100% Sicherheit will . Hier werden große Erwartungshaltungen geschürt. Wenn wir nun den Präna-Test zur generalisierten Kassenleistung machen, dann wird er bald in die Routine-Diagnostik Eingang finden und Eltern werden nicht verstanden, die das nicht wünschen. Kinder jenseits der Norm werden , vielleicht noch nicht im Einzelfall , aber in der Statistik wahrscheinlich missbilligend gesehen. Ich persönlich wende mich dagegen, den Präna-Test zur Kassenleistung zu machen, solange es sich nicht um eng begrenzte medizinische Sonderfälle handelt. Natürlich darf ein ja oder nein NICHT nach dem Geldbeutel der Eltern entschieden werden, sondern allein nach medizinisch begründeter Indikation, wenn es tatsächlich der besseren medizinischen Vorkehrung dienen sollte . Es sollte aber auf jeden Fall noch eine Hemmschwelle bleiben , diesen Test durchzuführen zu lassen, sprich die TESTUNG sollte Sonderfall bleiben, nicht die NICHT-TESTUNG zu einem Sonderfall werden. Ich bin überzeugt, dass die Medizin fieberhaft sucht, weitere vorgeburtliche genetische Tests (ohne Durchführungsrisiko versteht sich , weil wir sind ja schließlich „so“ human) zu entwickeln. Es wird zu einem Dammbruch kommen . Wie heißt es? Früher galt der Mutterleib als sicherster Ort der Welt, heute ist der Mutterleib der lebensgefährlichste Ort der Welt für ein kleines Leben geworden. Heutzutage wird zwar extrem viel von Behindertenrechtskonvention, Teilhabe sowie Inklusion und Gleichberechtigung gesprochen und teilweise auch gelebt und wirklich finanziell gefördert. Ohne Frage. Es wird auch viel Toleranz gelehrt, Behinderte werden nicht mehr angegafft wie früher und in Schulen wird schwer gegen Mobbing vorgegangen . Andererseits gab es im Gegenzug noch nie so viele Bemühungen, vorgeburtliche Tests werdenden Eltern zur „Sicherheit “ unterzuschieben und damit den Eltern sogenanntes „Leid“ zu ersparen. Meiner Meinung nach wird langsam aber sicher hier die Gesellschaft umgepolt in ihrer Denkweise, es wird unterschwellig eine Meinung kolportiert.. Es wird zunehmend gesellschaftsfähig, ein Kind , das den „TÜV“ nicht im Detail bestanden hat, gegen ein Nachgeborenes auszutauschen. Ich finde es eine supergute Entwicklung , dass zunehmend (Trisomie 21- ) Selbstbetroffene an die Öffentlichkeit gehen, ihr Leben mit anderen teilen und für ihr Lebensrecht öffentlich kämpfen. Einerseits gelten sie als „eingeschränkt“ in ihren Fähigkeiten, andererseits haben sie die schwerste Aufgabe in der Gesellschaft, nämlich für ihr Lebensrecht zu werben. Was ist das letztlich für eine bittere Ironie.

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