Ronja hat mittlerweile 700 Gramm zugenommen. Sie wird weiterhin voll gestillt und wiegt jetzt 3830 Gramm.

Es ist gut, dass ich so lange mit dem Bericht über ihre Geburt gewartet habe.

Die ersten Tage und Wochen stand nur Ronja und die Sorge um sie im Vordergrund. „Ganz egal wie sie auf die Welt gekommen ist, ganz egal, was mit mir ist, es zählt nur, dass sie da ist und dass es ihr gut geht“, hätte ich noch vor ein paar Tagen gesagt. Nun, da sie einfach nur wie ein rundes, gesundes und glückliches Baby wirkt, stelle ich fest, dass es nicht egal ist. Für Ronja vielleicht schon, aber nicht für mich. Je mehr ich zur Ruhe komme, desto mehr kommen meine Gefühle langsam ins Bewusstein und sie sind, was Ronjas Geburt angeht, noch ganz unverarbeitet, unsortiert und roh. Vielleicht hilft es, sie Worte zu fassen.

„Muss das sein, muss man etwas so intimes wie die Erfahrung einer Geburt mit allen ihren vor Körperlichkeit strotzenden Details so ins Licht der Öffentlickeit zerren? Ist dies nicht Symptom des unreflektierten, digitalen Exhibitionismus, der für meine Generation so prägend ist?“

Ja, es muss sein, finde ich. Überall erlebe ich, wie wenig die Menschen und klar, vor allem die Männer, über Schwangerschaft und Geburt wissen. Und immer wieder stelle ich fest, wir hoch die Hemmschwelle ist, tatsächlich nachzufragen. Unsere Gesellschaft versteht sich als hoch aufgeklärt und offen, und dennoch fehlen, wenn es ums Kinderkriegen geht, oft die Worte. „Mutter und Kind geht es gut“, das erwartet man nach einer Geburt zu hören und das bekommt man im Normalfall auch zuverlässig geliefert. Wie lange es gedauert hat, Größe und Gewicht, das kommt manchmal noch als Zusatzinfo. Alles weitere aber, alle Details, Gefühle, Erfahrungen und vor allem Probleme, werden selten offen besprochen. Als handele sich um etwas schmutziges, ungehöriges, schambehaftetes. Als gehöre es sich für Mütter nachgeburtlich nicht, über etwas anderes zu sprechen als darüber, wie glücklich sie sind. Als müsse die Geburt eines Kindes zwangsläufig allen Schmerz, alle Anstrengung aufwiegen.

Dabei ist der Vorgang der Geburt eines Kindes etwas, das jeden angeht, denn jeder ist irgendwann einmal geboren worden und viele sind oder werden einmal Eltern sein.

Wenn wir die Dammrisse, Kaiserschnitte, Nähte, Schwellungen, Blutungen, Stimmungsschwankungen, Ängste, Überforderungsgefühle, Stillprobleme, Schmerzen, und Autonomieverluste verschweigen, die mit der Geburt eines Kindes einhergehen, wie können wir dann von anderen erwarten, dass sie Verständnis haben für die besondere Situation, die die Zeit des Wochenbettes darstellt? Dass sie Verständnis haben für das Ruhebedürfnis von Mutter und Kind, Verständnis für die besondere Hilfsbedürftigkeit in dieser Zeit?

Ich finde es wichtig zu erzählen, wie weit abseits der „Normalgeburt“ Ronjas Weg auf die Welt war, denn ich habe den Eindruck, dass die „Normalgeburt“ nur in den seltensten Fällen existiert, dass aber trotzdem viele Frauen ihre eigenen Erfahrungen daran messen und im Vergleich daran nur scheitern können.

Aus diesen Überlegungen heraus folgt nun der versprochene, detaillierte Bericht von Ronjas Geburt. Mal sehen wie weit ich heute komme. Ich denke, ich werde den Beitrag in 2 Teile aufteilen müssen.

Ronja wurde erst am Donnerstag morgen geboren, rückblickend würde ich aber sagen, dass der Prozess ihrer Geburt bereits am Montag davor begann. Da traten die ersten deutlich spürbaren Kontraktionen auf, die mich nachts sogar aus dem Schlaf weckten. Unregelmäßig zwar, mit Pausen von mehreren Stunden, wenn sie denn kamen aber deutlich spürbar und eindeutig schmerzhaft. Ich weiß noch, dass ich in der Stadt im Café saß und bereits diese frühen „Wehen“ mich dazu zwangen, das Essen zu unterbrechen, aufzustehen und das Becken zu kreisen.

Einen weiteren Hinweis auf die nahende Geburt hat mir eine ganz leichte Blutung gegeben. Diese Blutung zeigt an, dass sich der Schleimpropf beginnt zu lösen. Dieser verschließt die Fruchtblase während der Schwangerschaft und schützt das Kind so vor Infektionen. Sicher gewusst, dass es losgeht, habe ich natürlich nicht. In den letzten Wochen der Schwangerschaft ist so ziemlich alles an Symptomen und sind so ziemlich alle Varianten des zeitlichen Ablaufs möglich.

Diese unregelmäßigen Wehen sind mir dann denn Dienstag hindurch erhalten geblieben und haben mich am Mittwoch morgen um 05:00 schließlich endgültig aus dem Schlaf geholt.

Sie waren noch gut erträglich, haben Schlaf aber unmöglich gemacht. Langsam habe ich begonnen zu glauben, dass Ronja sich tatsächlich auf den Weg macht.
Da ich am Mittag sowieso einen Kontrolltermin in Nürnberg hatte, haben Matthias und ich uns entschieden, diesen abzuwarten. Er ist zur Arbeit gefahren, ich habe gewartet und Wehenabstände gemessen: 5 Minuten Abstand, 11 Minuten, 8 Minuten, 20 Minuten… Keine wirkliche Regelmäßigkeit zu erkennen. Allerdings haben mich die Wehen zunehmend in Anspruch genommen. Jede etwas heftigere Wehe konnte nicht mehr nebenher geschehen; ich musste meine Tätigkeit unterbrechen um die Wehe zu veratmen. Das ging aber noch gut. „So kann es weitergehen“, habe ich mir gedacht. „Ist doch gar nicht so schlimm. Ich komme prima klar mit den Schmerzen. Bei der Atmung profitiere ich bestimmt von meiner Yoga-Erfahrung.“

Mittags auf dem Weg zur Kontrolle hatte ich im Auto dann die ersten Wehen, die eben nicht lehrbuchmäßig heranrollten, einen Höhepunkt erreichten und dann wieder abflachten.

Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass sich der Schmerz auf seinem Höhepunkt in mir festbeißt, sich krampfartig anklammert und nicht mehr, oder nur schwer abklingt und in die Entspannung findet. Die Wehen waren nach wie vor sehr unregelmäßig, hielten teilweise aber über mehrere Minuten an. „Das liegt an der unbequemen Sitzhaltung im Auto“, habe ich mir gedacht. War dann erstmal auch so. Die Ankunft beim Arzt brachte zunächst Entspannung.

Ergebnis beim Arzt: Ronja ist bereits tief ins Becken gerutscht, der Muttermund ist leicht geöffnet. Sie kann in den nächsten Stunden kommen, oder auch in den nächsten Tagen. Das lässt sich kaum vorhersagen.
Der Feinultraschall brachte dann die Entscheidung: Das Baby ist nicht mehr ganz optimal versorgt über die Nabelschnur, stellt der Arzt fest. Da ich sowieso schon Wehen habe, sollen wir doch einfach mal in der Klinik vorbei fahren. Die sollen entscheiden, wie es weitergeht.

Ich erinnere mich an all die Gedanken, die ich mir über eine eventuelle Einleitung der Geburt gemacht habe, über ein Übertragen oder gar einen geplanten Kaiserschnitt. All diese Sorgen waren ganz unbegründet, denn offensichtlich weiß Ronja selbst ganz genau, wann es Zeit ist, auf die Welt zu kommen: 2 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin wird ihre Versorgung schlechter, da macht unsere Tochter sich dann eben mal auf den Weg!

Um 15 Uhr war ich schließlich im Krankenhaus. 20 Minuten am Wehenschreiber, damit die Maschine bestätigt, dass es tatsächlich Wehen und ich durfte bleiben. Da ich immer noch keine regelmäßigen Intervalle feststellen konnte, habe ich Matthias gesagt, er könne sich noch Zeit lassen, bis er dazu kommt.
Bereits eine knappe Stunde später habe ich das revidiert: Die Wehen kamen noch immer unregelmäßig, aber in sehr kurzen Abständen.Vor allem aber waren sie heftig. Zwar bin ich noch auf den Fluren herumgelaufen, aber jede Wehe hat mich vorübergelehnt an die Wand oder sogar in den Vierfüßlerstand gezwungen. Teilweise habe ich begonnen, lauter zu atmen (zu „tönen“), den Schmerz mit einem leisen „Oooh“ auszuleiten, was gut geholfen hat. „Nicht dass Matthias die Geburt verpasst“, war plötzlich meine Sorge. Ich glaube gegen 18 Uhr war er dann da und wir haben einen Kreißsaal bezogen.

Mein Muttermund war zu dem Zeitpunkt ca. 2 cm geöffnet. Um das Köpfchen des Babys durchzulassen und damit die „Austreibungsphase“ zu beginnen (die viele fälschlicherweise für die „eigentliche“ Geburt halten) braucht es ca. 10 cm Öffnung. Jede sogenannte „Eröffnungswehe“ öffnet den Muttermund normalerweise ein bisschen weiter, bis das Baby dann schließlich durch „Presswehen“ auf die Welt geschoben wird…

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