Ich bin dabei, ein Buch über Ronja zu schreiben. Über ihre Trisomie und unser Leben. Kein Buch über ein schlimmes Schicksal, sondern ein Buch das ganz genau das wiedergeben soll, was ich auch in meinem Blog versuche zu vermitteln. Der Vertrag liegt fertig zur Unterschrift auf meinem Schreibtisch und ich habe schon begonnen zu schreiben. Irgendwann 2021 wird es dieses Buch dann im Kösel Verlag (Verlagsgruppe Random House) zu kaufen geben.

Ronja lachend auf der Bank
Spaziergang mit Photoshoot
In dem Buch über Ronja wird nicht das stehen, was ich hier im Blog schreibe, aber viele Gedanken ähneln sich.

Ideen kommen mir am besten wenn ich joggen oder spazieren gehe. Wie von alleine sind dann Klarheiten, Sätze und Bruchstücke von Formulierungen im meinem Kopf, die niederzuschreiben und auszuarbeiten ich „nur“ noch die Zeit finden muss. Allerdings kann ich die meisten Impulse nur einmal verwenden. Entweder für diesen Blog, oder für mein Manuskript. Doppelte Nutzung fühlt sich falsch an. Nach Arbeit und nach Langeweile. Deswegen schreibe ich für mein Buch zwar anders als hier. Wenn ich dafür aber gedanklich Kapitel entwickle, dann arbeite ich nicht parallel an meinem Blog.

Hochzeitsfoto
Übrigens haben wir nebenher und heimlich geheiratet
Das Buchprojekt ist also einer der Gründe, warum es so lange keinen Beitrag mehr von mir gab.

Ein weiterer Grund ist der Sommer, den wir mit Ronja dieses Jahr in vollen Zügen genießen können. Es ist lange hell, wir sind am Badesee, im Planschbecken, im Biergarten und beim Grillen. Baby ist kein Baby mehr, sondern eine kleine Persönlichkeit, ist überall dabei und geht meist erst spät ins Bett. Sie liebt Menschen, Eis, Würstchen, Schaukeln und in-die-Luft-geworfen werden und wenn wir abends das Seewasser, das Eis, die Sonnencreme und die Wurstpelle von ihr heruntergewaschen haben, dann ist es nach neun Uhr und ich gehe auch bald schlafen.

Ronja verschmitzt auf der Bank
Eine eigene kleine Persönlichkeit
Ein kleiner Schmerz, wie ein Splitter in der Fingerkuppe, den man nur manchmal spürt, wenn man versehentlich daran stößt, ist die Tatsache, dass Ronja noch keine Anstalten macht zu laufen oder zu stehen.

Sie ist gerade dabei, sich vom energischen robben gaaanz langsam ans krabbeln heranzutasten. Nicht, dass wir nicht gewusst hätten, dass es dauern wird. Ronja ist gerade mal 13 1/2 Monate. Es gibt Kinder mit 46 Chromosomen, die in dem Alter och nicht laufen können. In 99 Momenten ist es auch völlig in Ordnung und Ronja ist perfekt, wie sie ist und unser Leben ist es auch. Aber dann kommt dieser eine Moment, in dem der Splitter plötzlich schmerzt. Wie neulich, als ich in der Stadt war und wir an einem Brunnen vorbei gekommen sind mit lauter Kleinkindern, die barfuß im Wasser spielen. Ronja liebt das Wasser und sie liebt Kinder und streckt voller Begeisterung beide Hände aus. Aber ich kann sie nicht zum Wasser lassen, denn sie würde pitschnass werden. Sie kann ja noch nicht stehen, Wechselsachen habe ich keine dabei und zum robben ist es mir dann doch zu schmutzig. Da bohrt der Stachel sich plötzlich ins Fleisch. Wegen Ronja. Weil ich mir für sie wünsche, dass sie schon mitmachen könnte.

Baby mit Down Syndrom hält die Flasche
Fläschchen halten und trinken klappt schon prima
Ich möchte aber nicht vom Schmerz erzählen, sondern von der Freude, die Ronja in unser Leben bringt, denn sie ist es, die prägt.

Und ich möchte, dass dieser Blog auch neben meinem Buchprojekt weiter existiert, denn er ist wichtig. Vor einigen Monaten habe ich mir noch die Frage gestellt, ob ich mit dem, was ich schreibe, überhaupt irgendwen erreichen kann. Mittlerweile weiß ich, dass es so ist. Dass ich Menschen ereichen kann. Ich bekomme Zuschriften, die Matthias und mich zu Tränen rühren. Von Eltern älterer Kinder, mit oder ohne Zusatzchromosom, von Großeltern oder auch Nicht-Eltern, die sich in manchen meiner Erfahrungen wiederfinden oder auch nicht. Aber vor allem auch, und dies freut mich am meisten, von Eltern die schwanger sind mit einem Kind mit Down Syndrom oder gerade ein Baby mit 47 Chromosomen bekommen haben.

Diesen Menschen erzählen zu dürfen, wie unser Leben ist und ihnen damit in all der Düsternis, die man in so einer Situation meist vermittelt bekommt zu zeigen, worauf es lohnt, sich unglaublich zu freuen, das ist mir ungeheuer wertvoll und es rührt mich, dass ich es kann.

Dieser Blog wird daher bleiben, auch wenn es vielleicht etwas ruhiger wird.

4 Gedanken zu “Ein Buch über Ronja

  1. Liebe Gundula, wie beide sind ja schon länger über unsere Blogs verbunden und ich verfolge gerne, wie gut und vergleichsweise „normal“ (ich hoffe, du weißt, was ich ausdrücken will!) sich eure Ronja entwickelt. Heute möchte ich dir zu dem „Stachel“ schreiben bzw. unseren Erfahrungen mit dem Laufen. Als Marie, unsere Älteste (sie ist mittlerweile 24 ) auf die Welt kam, haben mich im Umfeld immer die „kann-schon-Gespräche“ gestört … so sehr, dass ich soweit gegangen bin, dass keiner das kleine Mädchen aufrichten oder gar an die Hand nehmen durfte. Womöglich war es ein Druck aus der anderen Richtung, aber ich wollte unbedingt sehen, wie dieses Kind sich völlig aus eigenem Antrieb aufrichtet und irgendwann die ersten Schritte macht. Als es soweit war, war es ein so großartiger Moment, dass ich mich heute noch genau erinnere. Sie war an diesem Tag gut 18 Monate – und die einzige Unterstützung, die sie von uns bekommen hatte, war unsere Liebe und das Vorbild, dass wir auch in der Aufrechten sind. Auch wenn ich nie Zweifel hatte – die Verwandtschaft war schon erleichtert, dass sie es geschafft hatte . Unserem ältesten Sohn Elias haben wir die gleiche Zeit gelassen – als er seine ersten Schritte gemacht hat, war er 19 Monate. Henri ( DS, komplexer Herzfehler, heute 16) war dann aber besonders spät und bei ihm waren wir nicht so sicher, ob er je laufen kann. Mit viel Geduld, Physiotherapie und geduldigem Üben war es irgendwann aber auch bei ihm soweit – er war bereits fünf Jahre alt, aber er hatte es geschafft, ist heute sehr gut zu Fuß und zählt die Schritte mit seinem Fitbit-Armband . Ich bin ziemlich sicher, dass auch eure Ronja diesen Schritt machen wird und wen wird es in ein paar Jahren interessieren, ob sie 14, 20 oder 24 Monate war? Unsere Jüngste, Amelie, heute 14, war mit 17 Monaten übrigens die schnellste . Macht so weiter und seid zuversichtlich, dass Ronja nichts versäumt. Alles Liebe !

    1. Ich möchte einmal kurz meinen Dank aussprechen.
      Ich habe deinen Blog in den letzten 3 Tagen durchgelesen.
      Unser kleiner Sonnenschein ist vor 2 Wochen auf die Welt gekommen, wir wussten vorher nichts von seinem kleinen Extra.
      Nach einigen Komplikationen bei der Geburt (die nichts mit der Trisomie zu tun hatten), sind wir jetzt endlich zu Hause.

      Nach der Entbindung sah man es eigentlich gar nicht…mein Mann ging nach Hause um die 3 „großen“ zu holen, die Hebamme sagte die Ärztin kommt nochmal, es gibt einige Auffälligkeiten, ich solle mich aber nicht beunruhigen.
      Ich sah sie an und sagte, ja, der Kleine hat das Down Syndrom.
      Verwunderung im Raum…
      Es war ok für mich, sofort.
      Keine Negativgefühle, nichts.

      Er hatte allerdings eine Infektion und musste auf die Intensivstation, die hatte er aber schnell überstanden, ein Zeichen für seinen guten Allgemeinzustand.
      Organisch fehlt im nichts.
      Das war eigentlich auch meine einzigste Sorge. Denn auch wenn die meisten organischen Fehler gut zu behandeln sind, würde jede Mutter (und jeder Vater) auf operative Eingriffe wohl gerne verzichten.

      Wir sind verliebt. So sieht’s aus.
      Da ist einfach gerade kein Platz für Negatives.
      Unsere Liebe füllt alles aus.

      Er ist unser kleiner Nachzügler, wir dachten wir seien schon fertig…

      Vielleicht liegt es an den grossen Kids, die nach Norm nahezu Perfekt sind…sportlich, unglaublich gute Schüler…immer früher entwickelt als ihre Altersgenossen…die mir den Perfektionismus ausgetrieben haben.
      Er existiert nicht. Wir sind Chaos, wir sind alle unterschiedlich in unserem sein und wir wollen es nicht anders haben.

      Es ist schön von jemandem zu lesen, der es so akzeptiert wie es ist, damit zufrieden ist und sein Leben einfach normal lebt, ohne den Fokus permanent auf den vermeintlichen Makel zu richten.

      Ich danke euch.

      1. Liebe Suzan, liebe Gundula,
        eure (Suzans) Geschichte erinnert an unsere. Nach 4 „normalen“, auch teilweise sehr intelligenten und erfolgreichen Kindern, kam unsere Nachzüglerin zur Welt. (Trotzdem bzw. weil ich nicht mehr zu den jungen Müttern zählte, habe ich ärzliche Untersuchungen so weit wie möglich umgangen . Ich wollte einfach keine Verunsicherung. Habe mich deshalb auch erst Mitte der Schwangerschaft in ärztliche Obhut begeben, und nur notwendigste Untersuchungen zugelassen.)
        Unser Kind kam wie die anderen mit Traumgeburt zur Welt (2005) , hatte keine Auffälligkeiten, auch später keine Intelligenzdefizite…..und doch läuft bisher alles anders als erwartet. Seit dem Kindergarten gab es nur Klagen , weil das Verhalten nicht der Norm entspricht. Ein Leidensweg begann.Wir haben die schlimmsten Lehrer aber auch die besten Lehrer unter Deutschlands Schuldächern erlebt. Wir mussten wahrnehmen, dass unser Kind für niemanden zumutbar war. Mittlerweile haben wir erkennen müssen, dass ohne hinreichende soziale Kompetenz alles andere kaum zum Zuge kommt. Zudem gibt es vermutlich doch noch andere- körperlich bedingte – Baustellen, die aber bisher noch niemand wirklich erklären , geschweige denn helfen konnte. Seit drei Jahren kein regulärer Schulbesuch mehr möglich, trotz ursprünglicher Gymnasial-Empfehlung……uns tat sich eine Welt auf, die wir vorher nicht kannten…..
        Aus dieser Sicht gesehen, haben eure speziellen Kinder (mit dem kleinen +) eben zumeist doch eine besondere STÄRKE. Vom Sozialverhalten freundlich, offen, unkompliziert. Das sind unglaubliche Kompetenzen, die ihr vielleicht gar nicht als etwas Besonderes wahrnehmt. Wohl den Kindern, die damit gesegnet sind, das ist ein wichtiger Schlüssel für Integration. Ich weiß mittlerweile wovon ich spreche.
        Und noch eine Bemerkung am Rande: Jedes Kind sein eigenes Tempo. Auch alle unsere 4 großen Kinder fielen aus der Norm, waren immer extrem langsam und spät entwickelt. Trotzdem tut sich , wenn auch unsichtbar, im Gehirn ganz viel. Fördern, Reize setzen und dann dem Kind ZEIT lassen die Reize zu verarbeiten. Wenn ich die Entwicklung von Ronja aus der Ferne sehe, scheint das sehr gut zu funktionieren. Vom Neugeborenen zur kleinen individuellen Persönlichkeit in nur einem Jahr. Was für ein Erfolg!! Und was für ein Tempo!! Wünsche euren Kindern weiterhin allerbestes Gedeihen !! LG

    2. Liebe Doris,

      du hast natürlich völlig recht. Danke, dass du deine Erfahrungen hier teilst. Unsere Physiotherapeutin übrigens wäre vermutlich absolut begeistert von euch. Ich habe teilweise das Gefühl, das eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin besteht, Eltern von Kindern mit „Entwicklungsrückstand“ davon abzuhalten, ihre Kinder falsch zu fördern: auf die Beine ziehen, obwohl die Beine noch zu schwach sind, in „Gehfrei“ stecken, dauerhaft in Babyschale ruhig stellen, obwohl das Kind noch nicht sitzen kann, etc. Wir sind wirklich dankbar, für das Wissen das Sie und auch Du vermittelst. Ich denke, gerade wenn das eigene Kind langsamer in irgendetwas ist, ist es ganz wichtig versichert zu bekommen, dass die beste Förderung die es gibt, das Gegenteil dessen ist, was man normalerweise unter Förderung versteht : nämlich einfach Zeit lassen.

      Allerbeste Wünsche an dich, Henry und die Familie. Ich habe tatsächlich immer mal geschaut, ob es etwas Neues gibt, nach den letzten Einträgen nach der OP. Der Bericht zur Kur hat mich erleichtert und gefreut. Ihr wart nicht sicher ob Henry überhaupt wird laufen können, und jetzt zählt er Schritte mit Fitnessarmband. Offensichtlich habt ihr bei der Förderung einiges richtig gemacht.

      Liebe Grüße

      Gundula

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