„Jobs mit Sinn“, „good jobs“, „talents for goods“, „Nachhaltige Jobs“ und viele andere. So heißen die diversen Job-Newsletter die ich bis jetzt bekomme. Abonniert habe ich sie vor einigen Jahren, auf der Suche nach dem Sinn in meinem Leben, nach der einen erfüllenden Tätigkeit, die zu meinem bisherigen Lebensweg passt, und mit der ich gesellschaftlich „etwas bewirken“ kann. Ich habe diesen Sinn nicht wirklich gefunden. Nicht in meinem Leben und auch nicht in meinem Job. Und ich habe weiter danach gesucht in beruflichen Perspektiven.
Nun stelle ich fest, dass mir all das, wonach ich gesucht habe, durch die Geburt von Ronja gerade eben vor die Füße fällt.
Was gibt es Sinnvolleres, als einem neuen Erdenbürger ins Leben zu helfen? Was schöneres, als mein kleines Mädchen in Zukunft auf seinem Weg zu unterstützen? Ronja hat sich Matthias und mich als Eltern ausgesucht, weil wir, so wie wir sind, genau die richtigen Eltern für sie sind und deswegen auch die besten Eltern für sie sein werden. Sie hat uns gewählt, weil wir sie lieben und annehmen und am Leben lassen. Sie hat sich mich zur Mutter genommen, weil viele der Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe und viele meiner Fähigkeiten mir helfen, gerade diesem Kind genau das zu geben, was es braucht.
Mit Ronja kommt genau die Aufgabe auf mich zu, die gerade jetzt und genau in dieser Art die richtige für mich ist, nur offenbart sie sich absolut nicht an der Stelle, wo ich sie erwartet habe.
Dies fordert meine Fähigkeit, zu erkennen und anzunehmen. Ja, es scheint fast so, als stellt sich Ronja meiner Suche nach beruflicher Erfüllung aktiv in den Weg um mir damit deutlich zu machen, wo ich jetzt stattdessen meine Aufgabe finde.
Über 1,5 Jahre wollten wir ein Kind. Es war gut eingeplant, die finanziellen Rahmenbedingungen passten, ich hatte den Eindruck, es würde sich zu dem Zeitpunkt gut einfügen.
Nun, das Kind wollte zu dem Zeitpunkt nicht zu uns und schon gar nicht wollte es sich einfügen. Stattdessen hat Ronja sich zu einem Zeitpunkt angemeldet, den ich, was die äußeren Umstände anging, alles andere als passend empfunden habe. Schon mit Eintritt in diese Welt hat Ronja also angefangen, alle meine Pläne zu durchkreuzen. Dies hat sich dann fortgesetzt in den ersten Monaten der Schwangerschaft: Wann im immer ich etwas „Sinnvolles“ tun wollte, hat sie dies sabotiert: Mir war entsetzlich übel, ich war müde, schwach, alles mögliche. Pläne zu machen war unmöglich. Mein Leben: unplanbar.
Dann haben wir von dem Herzfehler und Down Syndrom erfahren. Und wieder hat Ronja damit alles durchkreuzt, was ich mir im Laufe der Schwangerschaft mühsam an neuen Plänen und Perpektiven aufgebaut hatte: Wie es beruflich weitergehen könnte, wie wir uns die Geburt vorstellen und die Erziehung unseres Kindes, wann sie in welchen Kindergarten oder in welche Krippe gehen könnte. Wiederum alles sabotiert, denn es ist völlig offen, wie es Ronja und mir geht und welche Bedürfnisse sie haben wird.
Planen: weiterhin völlig unmöglich.
Und genau dies ist die große Chance zu lernen und zu wachsen, die mir gerade vor die Füße fällt.
Genau diese Fähigkeit, die Dinge auf mich zukommen zu lassen und nichts beeinflussen zu können, ist das, was ich am schlechtesten beherrsche. Es ist nicht so, dass nur wir als Eltern unserem Kind etwas zu geben haben. Tatsächlich schenkt uns das Schicksal genau das Kind, das uns auf die Lernfelder hinweist, die gerade jetzt und gerade für uns (für mich) wichtig sind. Diese Entwicklungschance ist größer und wichtiger als Vieles, was ich an beruflichen Herausforderungen hätte finden können.
Es hätte auch ganz anders kommen können. Wir hätten Ronja verhüten können (im wahrsten Sinne des Wortes), wir hätten sie testen und abtreiben lassen können. Es wäre auch möglich gewesen, dass ich aus dem Zustand des „mit dem Schicksal haderns“ nicht herausfinde, dass es nicht gelingt, dem Schicksal und mir selbst ausreichend zu vertrauen um die Aufgabe anzunehmen, die mir da geboten wird. All dies hätte bewirkt, dass ich eine der größten Chancen in meinem Leben nicht erkenne und sie nicht nutzen kann.
Die Fähigkeit, die Chancen die sich im Leben bieten wahrzunehmen, kommt nicht nur aus mir selbst heraus, da bin ich überzeugt.
Es ist keine außergewöhnliche Stärke und keine besondere Fähigkeit, die ich habe. Ich glaube vielmehr, dass vieles was mir geholfen hat, das Schicksal anzunehmen, selbst schicksalhaft war. Dieser Glaube macht mir Mut im Hinblick auf das, was kommt. Er gibt mir Vertrauen ins Leben und er macht mich Dankbar für das, was ich bisher erleben durfte.
Wieviele Chancen, wieviele Gelegenheiten, etwas völlig Neues zu lernen habe ich bisher verpasst, weil ich, beschäftigt mit den eigenen Plänen, nicht links und rechts schauen konnte?
Wieviele Herausforderungen habe ich aus Angst vor der Aufgabe, aus mangelndem Vertrauen ins Leben, vermieden?
Ich freue mich sehr auf die Zukunft mit meinem Kind, denn sie wird gut werden.