Ich schreibe genau jetzt diesen Beitrag, weil ich genau jetzt einen Kaffee trinken möchte. Eigentlich müsste dringend gesaugt werden und Wäsche ist zu waschen, aber das bleibt erstmal liegen. Wenn ich den Kaffee verschiebe, dann werde ich nicht mehr dazu kommen. Und später dann ist es zu spät am Abend. Wenn ich dann noch Kaffee trinke, kann ich nicht schlafen. Also genau jetzt. Das habe ich mittlerweile gelernt:
Die Dinge, die absolut wichtig sind (wie z.B. Duschen, Essen, Anziehen, einen Anruf erledigen), muss ich erledigen, sobald dazu ein Moment Zeit ist.
Nicht vorher noch „nur eben kurz“ Handy checken, Müll raus bringen, Geschirr einräumen. Wenn nämlich all das „Nur-eben-schnell“ erledigt ist, wird Ronja wach, fordert ihr Recht ein und schlussendlich wird ein sattes, sauberes Baby von einer hungrigen, schmutzigen Mutter zum Arzt gefahren. Aber der Müll ist draußen.
Wir sind ein bisschen im Alltag angekommen.
Matthias beneidet mich manchmal um die viele Zeit, die ich mit Ronja verbringe, ich beneide ihn manchmal um seine Unabhängigkeit von ihr. Durchs Stillen bin ich mit Baby zu einer schwer trennbaren Einheit verwachsen. Unsere Bindung hat eine Tiefe, die ich mir vor ihrer Geburt so nicht hätte vorstellen können. Sie birgt aber auch Herausforderungen, die anders, teils größer sind, als erwartet.
Und was ist jetzt mit Ronja?
Naja, es geht ihr gut. Unser Alltag entspricht einfach in vielem genau dem, was die meisten frischgebackenen Eltern erleben, denke ich. Mit dem Unterschied, dass wir momentan ein paar mehr Arzttermine haben als „normal“ (das Wort „normal“ wird für mich immer inhaltsleerer, je mehr ich über seine Bedeutung und Gebrauch nachdenke, aber mir fällt kein besseres Wort ein, das ausdrückt, was ich meine).
Ronjas Herz wird weiter beobachtet und macht noch keine Probleme.
OP Termin? Unklar, irgendwann zwischen 4 und 12 Monaten. Ich berichte darüber später nochmal ausführlicher. Vielleicht. Wenn ich es schaffe…
Als Frühförderung bekommt Ronja jetzt Physiotherapie. Heute waren wir bei der Diagnostik: Sie ist muskulär und motorisch ziemlich fit für ein Baby mit Down Syndrom. Ein paar Dinge allerdings gibt es, die man unterstützen kann. Ich berichte darüber später nochmal ausführlicher. Vielleicht. Wenn ich es schaffe…
Alle weiteren Untersuchungen: Bisher unauffällig. Nein, darüber berichte ich wahrscheinlich nicht ausführlicher.
So, Kaffee ist ausgetrunken, ich habe eigentlich keine Zeit mehr zum Schreiben. Wie gesagt, wir sind im Alltag angekommen. Ich bin die letzte Woche dann doch etwas rotiert und tue es (zumindest innerlich) immer noch.
Ich gebe mal einen ungefähren Überblick über die Dinge, die mich neben Baby und Haushalt so beschäftigen.
Die meisten sind noch nicht erledigt. Einige Pflichttermine sind dabei, aber auch viele schöne Dinge, die ich einfach gern erledigen möchte. Das innere Rotieren kommt auch daher, dass ich noch nicht verinnerlicht habe, mit Baby einfach mal locker 8 Stunden weniger pro Tag zu haben, die zur freien Verfügung stehen. Also, hier die Liste:
- Kontrolltermin Kardiologe absolvieren
- Arzttermin zur U3 absolvieren
- Kontrolltermin Augenarzt absolvieren
- Kontrolltermin Schädel und innere Organe absolvieren
- Kontrolltermin Gynäkologie für mich absolvieren
- Frühförderung: Termine Physiotherapie und Diagnostik absolvieren
- Beantwortung unendlich vieler, wahnsinnig rührender Glückwünsche und Grüße zu Ronjas Geburt
- Telefonat mit Redakteurin, die über Ronjas und meine Geschichte berichten möchte
- Bericht über Ronjas und meine Geschichte schreiben für „Kleine Fische„, eine allgemeine Mama-Infoseite
- Sinn und Unsinn einer privaten Krankenzusatzversicherung für Ronja herausfinden, Tarife vergleichen
- Behindertenausweis beantragen
- Elterngeld beantragen
- Kindergeld beantragen
- Diverse Erstattungen bei der Krankenkasse beantragen
- Versicherung in der (gesetzlichen) Krankenkasse beantragen
- Kooperationsanfragen von Unternehmen zu meinem Blog beantworten (Ronja macht ab jetzt Werbung für Kindermode von Babauba!)
- Sparkonto für Ronja einrichten
- Hier über unseren Alltag und zum Beispiel über Ronjas erstes Lächeln (! vor ein paar Tagen) berichten
- Stoffwindelzuschuss beantragen
- Ausführliches Geburtsprotokoll anfordern, Gespräch mit Hebamme vereinbaren, Kaiserschnitt verarbeiten
- Rückbildung! Etwas Yoga machen
- Soziale Kontakte pflegen, essen, Narbe pflegen, Garten pflegen, Blumen gießen…
Über viele der Punkte lohnt es sich, nochmal ausführlicher zu berichten. Hole ich dann später nach. Vielleicht. Wenn ich es schaffe.
Eine Sache muss ich allerdings doch noch gleich erzählen.
Mein Frauenarzttermin zur Wochenbett-Abschlusskontrolle war ja gleichzeitig auch der Besuch im Pränatalzentrum, wo Ronjas AVSD und DS diagnostiziert wurden und wo wir regelmäßig zur Ultraschallkontrolle waren. Schon vor ihrer Geburt hatten „unsere“ Ärzte beide gesagt, dass sie Ronja dann gerne mal sehen würden. Jetzt wollte ich sie unbedingt zeigen und habe das auch getan.
Es war einfach nur wunderschön.
Ronja war ein Ereignis in der Praxis. Sie hat die Sprechstundenhilfen bezaubert. Sie haben extra nochmal unauffällig im Mutterpass nachgesehen, ob dort zu diesem putzmunteren, lächelnden, kleinen Wesen wirklich „T21“ und „Herzfehler“ vermerkt ist. Eine Sprechstundenhilfe kam aus der Pränataldiagnostik (die ist räumlich etwas abgetrennt) extra zu mir und Ronja ins Sprechzimmer und konnte sich gar nicht mehr losreißen. Wir haben uns im Wartezimmer eines großen Pränatalzentrums, genau dort, wo man hingeht für all die Tests und Screenings, vor all den Wartenden laut über Ronjas Behinderungen ausgetauscht und ich habe erzählt, wie wunderschön es mit ihr ist. Das fand ich Klasse!
Unser Frauenarzt war sehr gerührt, als wir dann da waren.
Wirklich sehr emotional, gerade wenn man bedenkt, dass er nüchterner Mann und (auch noch) Arzt ist. Meine Belange haben wir beide fast vergessen, weil es fast nur um Ronja ging. Ob es gut für mich war, „es“ bereits in der Schwangerschaft zu wissen? Die Frage kam wieder auf. Ja, für uns und vor allem für Ronja schon! Er sagt das (jetzt?) auch immer bei der Beratung zu den Ersttrimester-Screenings dazu, „…dass es dabei eben nicht nur um Abtreibung geht…“ hat er dann erzählt!
Schließlich kam auch noch „unser“ Feindiagnostiker zwischen zwei Terminen spontan zu uns ins Behandlungszimmer.
Der Arzt, der am Anfang so kühl und nüchtern wirkte und uns am Ende (nachdem einmal endgültig klar war: Ronja wird nicht getötet!) dann doch so gut durch die Schwangerschaft begleitet hat. Er kam extra um Ronja zu sehen und er hat sich wirklich gefreut.
Wir sind dort jetzt Ansprechpartner für andere Eltern, wenn diese die Diagnose Trisomie 21 bekommen oder auch, wenn sie sich vor dem Ersttrimester-Screening darüber informieren wollen.
Irgendwie traurig, aber auch wundervoll: Dadurch, dass wir mit unserer Geschichte zumindest in der Praxis eine solche Ausnahmeerscheinung waren, konnten Ronja nun, einfach dadurch dass sie da ist und lächelt und glücklich ist, vielleicht wirklich etwas bewegen.